Geschichte der Swing Tänze

In den späten 20er Jahren des letzten Jahrhunderts entstand mit der Musikrichtung Swing in Harlem der ursprüngliche Swing-Tanz. Der afroamerikanische Bevölkerungsanteil in dem von Immigranten geprägten Viertel im New Yorker Upper Manhattan hatte sich in den letzten Jahren vervierfacht, nachdem viele osteuropäische und deutsche Juden die Gegend verlassen hatten.  Die Zeiten waren hart, aus ökonomischen Gründen schlossen sich Musiker zu Big Bands zusammen. Der Swing mit seinen afrikanischen Wurzeln und seinem beschwingten ausgelassenen Lebensgefühl, gespielt auf europäischen Orchesterinstrumenten, war eine Novität. Die afroamerikanische Musik-, Tanz- und Lebenskultur ging in der westlichen auf und setzte in der Harlem Renaissance zu einem Höhenflug an.

Wie die Musik Swing ist auch der Swing-Tanz die Integration afroamerikanischer Tanz- und Lebenskultur in das westliche Kulturbett der späteren 1920er Jahre. Die Wurzeln des Lindy Hop und damit des Swing Tanzes liegen in Interpretation und Verschmelzung der damals in Harlem verfügbaren Tänze, zunächst von afroamerikanischen Tänzern. Die formalen Rahmenbedingungen Tanzhaltung und Taktfolge von Charleston und Foxtrott über den Break-Away,  mit  Jazz  und Tap Einflüssen. Auch komische und parodistische Elemente spielten eine tragende Rolle.

The Savoy Ballroom

Das Savoy Ballroom

Viele der bekanntesten Clubs Harlems, wie das Small’s und der Cotton Club, verwehrten Afroamerikanern paradoxerweise aufgrund der vorherrschenden Rassentrennung den Eintritt noch längere Zeit. Im Savoy Ballroom trafen sich hingegen Schwarze und Weiße aller Klassen seit 1926 zum Tanzen. Und genau hier war das Zentrum des gerade entstehenden zeitgenössischen Swing-Tanzes. Hier wurde er in seiner Lebensfreude, Spontaneität und Vielseitigkeit entwickelt und geschliffen. Zusammen mit dem Tanz entwickelte sich auch die Swing-Musik weiter. Big-Band Competitions fanden ebenso wie Tanzwettbewerbe statt und in einer Symbiose inspirierten sich Tänzer und Musiker gegenseitig. Jeden Abend wurden Moves und Stylings mit einer Lebhaftigkeit vorangetrieben, die Tänzern und Zuschauern ebenso große Freuden bereiteten.

Der Savoy Ballroom hatte aus verschiedenen Gründen eine besondere Stellung. Er war riesig und zur Zeit seiner Eröffnung, 1926, war er einer der wenigen öffentlichen Räume wo Menschen aller Rassen und Klassen ihre Leidenschaft für Musik und Tanz teilen konnte. Hier wurde die “soziale Kontrolle” mit populärer Kreativität und einem ausgelassen Geist der Gemeinsamkeit und Freude konfrontiert, und das jeden Abend der Woche. Die Garderobe hatte Platz für 5000 Besucher, etwa 70000 Besucher wurden Jährlich gezählt.

Harlems erste Tanzlocation war “ein luxuriöser Tanzsaal um die Tausendschaften aufzunehmen, die sich lieber in geschmackvoller Kultiviertheit zu vergnügen wünschten, als in den kleinen stickigen verrauchten Keller-Nachtclubs, die zwar illegale aber florierende, ausstaffierte Kanalisation der Prohibition.“

Die Geburt des Lindy Hop

Die angeblich 15 mal 60 Meter große Tanzfläche (ca. 2 Basketballfelder)des Savoy Ballroom bot den Jam Floor zur Verschmelzung verschiedenster Tanzkulturen zum brandneuen Sound der Big Bands. Das glanzpolierte Ahornparkett musste alle drei Jahre ausgetauscht werden. Das Savoy hatte auch zwei Band Stands um durchgehende Musik zu ermöglichen. Big Band wechselten sich auch in Competitions ab. Die Haus Big Band um Chick Webb lieferte sich Battles mit den Big Bands von Benny Goodman, Count Basie, und Duke Ellington während auf der Tanzfläche Leon James, Leroy Jones, und “Shorty” George Snowden und später Frankie Manning immer elaborierter den Lindy Hop tanzten.

Bald nach seinem Aufkommen wurde der zuerst Hop genannte Swing Tanz in Anlehnung an Lindbergs Alleinflug über den Atlantik 1927 Lindy Hop genannt. Der Legende nach nannte “Shorty” George Snowden spontan “Lindy Hop” als Namen des Tanzes, inspiriert von Schlagzeilen wie “Lindy Hops The Atlantic”. Der sinnbildliche Name blieb, die moderne und heroische Verbindung über den Atlantik.

In den 30er Jahren verbreitete sich der Lindy Hop übers gerade aufkommende Radio in den weißen Medien als Jitterbug über die ganze Welt und entwickelte sich weiter in Tanzstile wie den West Coast Swing, Rock’n’ Roll und Boogie Woogie.

Swing in Europa

Entartete MusikIn Europa wurde die Swing-Rhytmik noch Ende der 1920er in Frankreich von Zigeunern übernommen und in den Manouche-Jazz übergeführt. Groß wurde dieser Stil in den 1930er Jahren u.a. durch Django Reinhart.

Die ersten Swing Tänzer in Nazi-Deutschland waren hauptsächlich Teenager, ältere Gymnasiasten aus dem Bildungsbürgertum, aber auch Kinder aus Arbeiterfamilien, die Zugang zu Radio und Tonträgern hatten. In Hamburg, Berlin und Wien unterhielt die “Swing Jugend” Jazzbands und organisierte Tanzveranstaltungen. Sie kontrastierten Nazimentalität und -style mit langen Haaren und englisch anmutender Kleidung, Mänteln und Hüten, karierten Sakkos und meist einem Regenschirm. Sie verwendeten Anglizismen und trugen relativ unpolitisch einen weltoffenen, vergnügten Lebensstil zur Schau. Trotz ihres politischen Desinteresses wurden sie bald von Gestapo und HJ-Streifendiensten verfolgt und politisierten sich dadurch zunehmend. Swing Musik wurde von den Nazis zwar zur entarteten Kunst erklärt, dennoch konnte der Einzug des Swing zumindest in eine Subkultur nicht unterbunden werden. Einzug in den Mainstream erhielt der Swing musiziert wie getanzt erst nach dem Krieg mit der US-Besatzung.

Swing tanzen heute

Nach Abflauen des allgemeinen Interesses der Jugend an Partnertanz generell in den 1960ern und 70ern gewinnt der Lindy Hop heute auch in Europa wieder zunehmend Freunde. Im Jahre 2005 gab es in London und New York bereits eine mehrere tausend Tänzer umfassende Gruppe, aber auch in anderen Großstädten der überwiegend westlich geprägten Welt und anderswo (z.B. Peking, Tokio) trainieren Fans des Tanzes regelmäßig und veranstalten öffentliche Partys. Das bekannteste jährliche Lindy-Hop-Festival dauert inzwischen fünf Wochen, in denen insgesamt weit über tausend Tänzer in das kleine schwedischeDorf Herräng pilgern: die „Harlem Hot Shots“ (früher: Rhythm Hot Shots), widmen dort seit 1982 dem authentischen afroamerikanischen Tanz (und prominent dem Lindy Hop) ein Tanzlager. Gezielt werden Zeitzeugen der 30er bis 50er Jahre, wie Frankie Manning († 2009) und Dawn Hampton, mit aktuellen Protagonisten der Tanzform zusammengeführt.

Seit 1998 finden in vielen Städten regelmäßig Lindy Exchanges statt, um einander gegenseitig und um den typischen Tanzstil einer anderen Stadt kennenzulernen.

Zitate:

“We fought a war with music and dance, and that’s what opened the doors.”

Quellen:

“Negotiating Compromise on a Burnished Wood Floor; Social Dancing at the Savoy” von Karen Hubbard and Terry Monaghan aus  “Ballroom, Boogie, Shimmy Sham, Shake; A social and popular dance Reader”, Julie Malnig (Herausgeber)

Negotiating Compromise on a Burnished Wood Floor
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